Eine natürliche Geburt. Das kann doch nicht so schwer sein. Schließlich machen Frauen das schon seit Ewigkeiten. Die Menschheit ist weit davon entfernt auszusterben! Die Gebärmutter zieht sich zusammen, das Kind dreht sich durchs Becken, du schreist ein bisschen rum und PADABÄNG, da liegt ein zuckersüßes Menschlein zwischen deinen Beinen. So war der Plan und alles hat ja auch so gut angefangen…
Vorbildhafter Geburtsverlauf
Die Wehen kamen und du bist brav durch die Wohnung getigert. Du wusstest, dass es dauern würde. Ist ja schließlich dein erstes Kind. Also veratmest du artig eine Wehe nach der anderen, stützt dich an den Türrahmen ab und gehst einmal in die Badewanne um zu kontrollieren, ob die Wehen aufhören oder stärker werden. Sie werden stärker und sind weit davon entfernt aufzuhören. Der Mann ruft im Kreissaal an und die Hebamme sagt ihm, dass ihr kommen sollt. Die Autofahrt ist großer Mist und du weißt nicht so richtig wie du sitzen musst. Der Weg vom Auto zum Kreissaal ist auch nicht besser. Im Krankenhaus sind alle ganz begeistert, dass dein Muttermund sich so vorbildhaft öffnet und du das so prima hinbekommst. Dir wird ein Zugang gelegt und ein Ultraschall gemacht und dir wird schlecht…
Was du so empfindest?
Du erfährst, dass das mit der Übelkeit nicht schlimm ist und dass die Kotzerei gleich wieder aufhört. Du darfst in den Kreissaal und es wird ein CTG gemacht. Das CTG zeichnet nur winzige Wehen auf. Die Hebamme sagt es ist nicht wichtig was das Gerät aufzeichnet, sondern was du empfindest. Du bist trotzdem sauer auf das Gerät und findest es unverschämt, dass die winzigen Zacken deine Wehen abbilden sollen. Dein Mann fragt dich, ob du sicher bist richtige Wehen zu haben. Du überlegst ihn einfach rauszuschmeißen, hast aber auch keine Lust diesen Mist alleine zu machen. Du kotzt weiter. Die Hebamme versichert, das alles ganz ganz prima verläuft und drückt dem Mann ein paar Papp-Kotzschalen in die Hand. Wer kommt auf die Idee Kotzschalen aus PAPPE herzustellen? Es tut dir leid, dass der Mann Kotze an den Händen hat, weil Pappe und Flüssigkeit einfach nicht gut miteinander können. Die Hebamme schickt dich in die Badewanne, die du nach ein paar Minuten wieder verlässt, weil kotzend in der Badewanne liegen auch keinen Spaß macht. Im Nachbarkreissaal schreit eine Frau schon seit einer Weile wie eine Irre. Die Frau hört auf zu schreien. Ist das Kind jetzt da? Fragst du die hereinkommende Hebammenschülerin. Nein! Die Frau hat eine PDA bekommen. Die nächste Wehe kommt. Du musst schreien wie eine Irre. Du fragst ob du jetzt auch eine PDA bekommen kannst. Die Hebammenschülerin nickt und verlässt fluchtartig den Kreissaal.
Keiner kommt
Du schreist weiter. Du kotzt weiter. Keiner kommt. Was ist mit der PDA? Der Mann fragt nach. Einmal. Zweimal. Dreimal. Es ist gerade viel zu tun. Es kommt gleich jemand. Schreien und kotzen. Schmerzen, schreien und kotzen.
Vier Stunden später kommt der Anästhesist. Du sollst dich hinsetzen, nach vorne beugen. Stillhalten. Die Wehen überrollen dich. Du bewegst dich. So kann die PDA nicht gesetzt werden. Du gibst dir Mühe. Es klappt nicht gut. Alle sind unzufrieden mit dir. Endlich sitzt die PDA. Gleich wirkt sie. Bestimmt. Du sollst dich hinlegen, ausruhen.
Die PDA wirkt. Keine Schmerzen. Du musst nicht kotzen. Du machst die Augen zu. Um dich herum wird es plötzlich panisch. Das CTG sieht nicht gut aus. Du sollst pressen. Du spürst nichts. Du versuchst die Augen offen zu halten. Du versuchst zu pressen. Du hast das Pressen scheinbar nicht drauf. Die Blicke sind besorgt. Dem Kind wird Blut aus dem Kopf abgenommen. Als die Ärztin gerade sagt, dass noch alles gut ist, kommt der Oberarzt rein. Sofort Kaiserschnitt. Die Ärztin und die Hebamme sehen unzufrieden aus. Du wirst zum OP gerollt. Ihre Frau ist jetzt einfach zu erschöpft, sagt der Arzt. Stimmt wohl, denkst du, bist traurig, so wolltest du das nicht, du hast dir doch Mühe gegeben. Du bist im OP, Vollnarkose.
Nichts.
Bin ich jetzt Mama?
Du wirst wach und plötzlich ist dein Bauch leer. Bin ich jetzt Mama? Fragst du. Wo ist das Kind? Fragst du. Dem Kind geht es gut. Ob die das Kind auch nicht vertauscht haben? Der Mann hat das Kind auf dem Arm, es ist in ein Handtuch eingewickelt. Es ist so klein. Du schaust es an. „Gut“, denkst du, es hat die Augen vom Mann. Nicht vertauscht. Das Kind muss dir in den Arm gelegt werden. Du kannst dich nicht richtig bewegen. Das Kind schreit. Es macht sich sofort in deinem Herz breit und dir treten die Tränen in die Augen. Es tut dir so leid. Es tut dir so unendlich leid, dass das jetzt nicht anders gelaufen ist.